
Die Ostsee-Insel Rügen ist bekannt für ihre beeindruckenden Strände und Dünenlandschaften. Im Ortsteil Prora erhebt sich jedoch ein monumentales Bauwerk, das sowohl Geschichte als auch Gegenwart vereint: der „Koloss von Prora“. Diese ehemalige Ferienanlage wurde am 2. Mai 1936 von der NS-Organisation Kraft durch Freude (KdF) ins Leben gerufen und sollte ursprünglich als Erholungsort für 20.000 Menschen dienen. Die Ambitionen der Nationalsozialisten waren groß, doch die Realität war eine andere.
Mit einer Länge von viereinhalb Kilometern erstreckt sich das Gebäude über acht baugleiche Häuserblocks. Jeder dieser Blöcke ist etwa 550 Meter lang und bot Platz für 10.000 Zimmer, die jeweils schlicht ausgestattet und auf Meerblick ausgerichtet waren. Die Finanzmittel, die für die Fertigstellung erforderlich waren, wurden auf circa 237 Millionen Reichsmark geschätzt – aktuell entspricht das etwa 850 Millionen Euro. Diese Größenordnung des Projektes zeigt das monumentale Ziel der Nationalsozialisten, das „Seebad der 20.000“ zu schaffen, ein Vorhaben, das nie vollständig realisiert werden konnte.
Kriegszeiten und Nutzung
Der Zweite Weltkrieg unterbrach die Pläne, die 1939 nur im Rohbau vorlagen. Stattdessen wurde Prora während des Krieges für verschiedene militärische Zwecke genutzt, darunter als Lazarett und Unterkunft für Heimatvertriebene. Die Rote Armee sprengte 1945 Teile des Nordflügels, sodass das Bauwerk zunehmend zu einem Relikt der NS-Zeit wurde. Nach dem Krieg wurde die Anlage von der Sowjetunion als Internierungslager genutzt. Im Zuge dessen war das Areal für viele Jahre zu einem Sperrgebiet erklärt worden und wurde von der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR bis 1990 betrieben.
Nach der Wiedervereinigung übernahm die Bundeswehr das Gelände, das jedoch aufgrund seiner Geschichte und der erheblichen Renovierungsbedarfe bald aufgab. 1994 wurde Prora schließlich unter Denkmalschutz gestellt. In den folgenden Jahren setzte eine schrittweise Sanierung des Kolosses ein: Es wurden Museums- und Ausstellungseinrichtungen zur Geschichte des ehemaligen Ferienortes eingerichtet.
Moderne Entwicklungen und Wahrnehmung
In den letzten Jahren hat das Areal eine bemerkenswerte Transformation erfahren. Ab 2004 begannen Teile der Anlage verkauft und renoviert zu werden. Unter anderem wurde in Block V die größte Jugendherberge der Welt eröffnet. Auch moderne Wohnungen und ein Hotel sind mittlerweile entstanden, was zu einem Anstieg der Immobilienpreise führte: Sanierten Wohnungen erreichen von bis zu 6.500 Euro pro Quadratmeter.
Aktuelle Bilder des Kolosses in sozialen Medien sorgen für rege Diskussionen, insbesondere in der Facebook-Gruppe „Welcome to Germany“. Dort zeigen sich US-Bürger schockiert über die Dimensionen und die Vergangenheit des Bauwerks. Gleichzeitig verteidigen einige Deutsche und Rügener die Entwicklung, in der Hoffnung auf eine positive Transformation der ehemaligen Nationalsozialistischen Stätte hin zu einem attraktiven Urlaubsort.
Der Koloss von Prora wird bis heute ambivalent wahrgenommen: Er ist sowohl ein faszinierendes Beispiel für die NS-Architektur als auch ein ständiger Erinnerungsort an dunkle Kapitel der deutschen Geschichte. Dieses faszinierende Spannungsfeld zieht Touristen und Investoren gleichermaßen an, während Diskussionen über die ethischen Implikationen fortlaufend bleiben.