
Der havarierte Öltanker „Eventin“, der sich rund 20 Kilometer vor der Küste Rügens in der Ostsee befand, wird derzeit von drei Schleppern auf Reede vor dem Stadthafen von Sassnitz geschleppt. Das Havariekommando hat angekündigt, dass die Ankunft des Schleppverbands für den frühen Sonntagmorgen erwartet wird. Der Tanker, der fast 100.000 Tonnen Öl an Bord hat, war zuvor aufgrund eines Totalausfalls der Systeme und der Maschine in der Nacht zu Freitag führerlos nördlich von Rügen getrieben. Wetterbedingungen mit Wellenhöhen von bis zu vier Metern und Sturm mit Windstärke neun erschwerten die Aktion, berichtete ndr.de.
Das Schiff sollte ursprünglich von Kap Arkona in Richtung Nordosten geschleppt werden, die Entscheidung fiel jedoch auf die Reede des Stadthafens Sassnitz, etwa vier Kilometer vor der Küste. Hier wird der Tanker auf Position gehalten, bis über das weitere Vorgehen entschieden ist. Ein Expertenteam arbeitet daran, die Last des 274 Meter langen Tankers, der unter panamaischer Flagge fährt und einer Reederei mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten gehört, gleichmäßig auf die Schlepper zu verteilen. Trotz der Berichterstattung über etwaige strukturelle Schäden an Bord wurde bisher keine Ölverschmutzung festgestellt, was als positiv angesehen wird.
Umweltbedenken und geopolitische Implikationen
Besondere Besorgnis äußerten Umweltminister Till Backhaus und die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock über das Risiko, das von der sogenannten russischen Schattenflotte ausgeht. Diese besteht aus alten, oft unversicherten Tankern, die trotz eines Embargos für russisches Öl gefährliche Transporte durchführen. Baerbock kritisierte den Einsatz dieser maroden Schiffe und die damit verbundene Gefährdung der europäischen Sicherheit. Greenpeace führt den „Eventin“ auf einer Liste der 192 gefährlichsten Rohöltanker und warnt vor den potenziellen ökologischen Konsequenzen.
Die Schattenflotte wird als ein Mittel angesehen, durch das Russland die westlichen Sanktionen umgeht, die aufgrund des Ukraine-Kriegs verhängt wurden. Dies verdeutlicht, dass trotz internationaler Anstrengungen, die russische Wirtschaft zu isolieren, Länder wie China und Indien die Abnehmer für russisches Öl wurden. Schätzungen zufolge besteht die Schattenflotte aus etwa 591 Tankern, mit einer Altersspanne, die im Durchschnitt 17 Jahre beträgt, was als zu alt und damit potenziell gefährlich erachtet wird. Greenpeace wurde zitiert, dass solche Tanker zahlreiche Naturschutzgebiete in der Ostsee kreuzen, was die Umwelt noch zusätzlichen Risiken aussetzt, berichtete deutschlandfunk.de.
Aktionen und Reaktionen
In Reaktion auf die Gefahren, die von der Schattenflotte ausgehen, hat die EU bereits rund 50 Schiffe auf eine Sanktionsliste gesetzt, darunter auch viele von Russland betriebene Tanker. Der litauische Außenminister forderte ein entschlossenes Vorgehen gegen diese Flotte, um die ökologischen und sicherheitspolitischen Gefahren zu minimieren, während die EU-Abgeordneten darauf dringen, dass gegen diese Schiffe ein hartes Durchgreifen erfolgt. Greenpeace appelliert zusätzlich, dass rund 200 als besonders gefährlich eingeschätzte Frachter ebenfalls sanktioniert werden sollten.
Die laufenden Nothilfemaßnahmen für die 24-köpfige Besatzung des „Eventin“ zeigen das wachsende Risiko, das mit diesen havarierten oder manövrierunfähigen Schiffen verbunden ist. In diesem Fall erhielten die Crewmitglieder am Samstagabend per Helikopter Hilfslieferungen mit Strommodulen und Heizlüftern, um die Bedingungen an Bord zu verbessern, ohne dass eine Evakuierung notwendig war.