Ausbeutung auf der Meyer Werft: Stimmen aus der Arbeiterschicht

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Wismar, 14.08.2025: Anamaria Ciocia berichtet von Ausbeutung und schlechten Arbeitsbedingungen auf der Meyer Werft während des Disney-Kreuzfahrtschiffbaus.

Wismar, 14.08.2025: Anamaria Ciocia berichtet von Ausbeutung und schlechten Arbeitsbedingungen auf der Meyer Werft während des Disney-Kreuzfahrtschiffbaus.
Wismar, 14.08.2025: Anamaria Ciocia berichtet von Ausbeutung und schlechten Arbeitsbedingungen auf der Meyer Werft während des Disney-Kreuzfahrtschiffbaus.

Ausbeutung auf der Meyer Werft: Stimmen aus der Arbeiterschicht

In Mecklenburg-Vorpommern wird derzeit ein dunkles Kapitel der Kreuzfahrtindustrie aufgedeckt, das die Arbeitsbedingungen auf Schiffen betrifft. Recent Berichte zeigen, wie Beschäftigte, insbesondere solche aus Niedriglohnländern, oft unter prekären Verhältnissen leiden. Ein auffälliges Beispiel ist der Fall von Anamaria Ciocia aus Rumänien, die während ihrer Zeit auf der Meyer Werft in Wismar einen Arbeitsunfall erlitt und seither mit zahlreichen Problemen kämpft. Wie NDR berichtet, brach sie sich am 24. Mai den Knöchel und wartet noch auf die Anerkennung dieses Arbeitsunfalls sowie auf ihren ausstehenden Lohn. Ihre Geschichte steht nicht alleine da, sondern ist symptomatisch für die Missstände in der Branche.

Anamaria und ihr Mann wurden über eine Facebook-Anzeige an die litauische Firma Maviga Pro vermittelt. Obwohl sie als „Interior fitter“ eingestellt wurden, stellte sich heraus, dass sie in der Realität vor allem Müll transportieren sollten. Über die Umstände ihrer Unterbringung spricht Anamaria verheerend: Die Unterkunft, ein Viehstall, war mit Bettwanzen und Mäusen befallen. Diese Erfahrungen sind kein Einzelfall; vielmehr zeigt sich ein Muster von Missbrauch, das durch eine Kette von Subunternehmen gefördert wird, die oft die Arbeitsrechte der Beschäftigten untergraben und die in Fair Unterwegs dokumentiert werden.

Die Schattenseite des Kreuzfahrtbooms

Die Kreuzfahrtbranche boomt, doch die Menschen, die dafür arbeiten, stehen oft im Schatten. Unterhalb der Wasserlinie leben bis zu 1.000 Mitarbeiter in beengten Doppelkabinen und verantworten das Wohl ihrer Gäste, häufig unter enormen Druck. Oft müssen sie in einer 7-Tage-Woche und bei kaum Ruhezeiten arbeiten. Viele der rund 70% der Servicekräfte kommen aus Niedriglohnländern und verdienen oft weniger als 3 Euro pro Stunde, während ihre Gehälter stark von Trinkgeldern abhängen, die bis zu 75% ihres Einkommens ausmachen – eine prekäre Situation, die Nirgendwo detailliert beschreibt.

„Die Verantwortung für die Arbeitsbedingungen liegt nicht nur beim Subunternehmer, sondern auch beim Auftraggeber“, stellt Anamaria klar. Ihr Fall und die Berichte über andere Arbeitnehmer verdeutlichen, dass viele ausländische Arbeitskräfte in ihrer Heimat kaum Chancen haben, ihre Ansprüche vor Gericht durchzusetzen. Gesetzliche Hürden erschweren die Situation zusätzlich, da die arbeitsrechtlichen Bedingungen oft nur für die Flaggenstaaten gelten. Kein Kreuzfahrtschiff fährt jedoch unter deutscher Flagge, was bedeutet, dass deutsches Recht hier nicht greift.

Die Realität auf See

Die Arbeitsbedingungen auf Kreuzfahrtschiffen werden von vielen als gefängnisähnlich beschrieben. Trotz klarer Standards wie den ILO-Vorgaben, die maximal 72 Arbeitsstunden pro Woche und mindestens einen freien Tag pro Woche anordnen, werden diese oft missachtet. Beschäftigte haben keinen Kündigungsschutz und mutige Stimmen, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen, sind häufig unerwünscht. Gewerkschaften werden nicht toleriert, und die Angst vor Entlassung hält viele davon ab, ihre Stimme zu erheben.

Es ist eine traurige Ironie, dass viele junge Menschen aus Ländern wie Indonesien oder Indien bereit sind, solche Bedingungen zu akzeptieren, nur um ihre Familien zu unterstützen oder Schulden abzubauen. Während sich die Industrie auf maximale Rendite konzentriert, bleibt die Frage nach den Menschen, die im Hintergrund für diesen Luxus sorgen, oft unbeantwortet. Die Berichte von Frauen, die Mobbing und anstößiges Verhalten durch Vorgesetzte erleben, sind dabei ebenso alarmierend wie die weit verbreiteten körperlichen und psychischen Belastungen unter den Crewmitgliedern.

Der Verein CORRECT sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund bieten Unterstützung für ausländische Arbeitskräfte an, um ihnen zu helfen, ihre Rechte durchzusetzen. Doch auch hier bleibt die Frage, ob und wie nachhaltig solche Hilfsmechanismen sind. Anamaria Ciocia hofft auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, nicht nur für sich, sondern für alle, die in dieser Branche arbeiten müssen. „Wir müssen die Stimme erheben“, fordert sie, „denn da liegt was an!“.