150 Jahre Psychiatrie in Ueckermünde: Aufarbeitung dunkler Kapitel!
Das AMEOS Klinikum Ueckermünde feiert 150 Jahre Psychiatrie mit Buchpräsentation und Podiumsgespräch zur NS-Zeit.

150 Jahre Psychiatrie in Ueckermünde: Aufarbeitung dunkler Kapitel!
In Ueckermünde wird in diesem Jahr ein ganz besonderes Jubiläum gefeiert: Die Psychiatrie blickt auf 150 Jahre ihres Bestehens zurück. Um die dunkle Geschichte dieser Einrichtung, insbesondere während der NS-Zeit, gebührend zu würdigen, wird am 18. Juni 2025 ein neues Buch präsentiert: „Vom ‚Anstaltsboom‘ zum NS-Krankenmord. Psychiatrie in Ueckermünde und Pommern im 19. und 20. Jahrhundert“. Die Medizinhistorikerin Dr. Kathleen Haack ist die Autorin und hat zahlreiche historische Patientenakten ausgewertet, um die tragischen Schicksale von psychisch kranken Menschen während dieser düsteren Zeit genauer zu beleuchten.
Stephan Freitag, der Vorstand der AMEOS Gruppe, hebt die Wichtigkeit der Aufarbeitung der Vergangenheit hervor: „Transparenz über die Vergangenheit und die Aufklärung über die Schicksale der ehemaligen Patienten sind von essentieller Bedeutung.“ Diese Einblicke sind vor allem vor dem Hintergrund von Dr. Haacks Erkenntnissen erschütternd: Rund 4.000 psychisch Kranke wurden in der NS-Zeit in Ueckermünde getötet oder in den Tod geschickt. Viele andere erlitten das Schicksal der Zwangssterilisation. Immer wieder wird dabei deutlich, was für eine dramatische Wende die Psychiatrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfuhr – vom humanistischen Ansatz hin zu einer ideologischen Radikalisierung.
Ehre für Forschungsarbeit
Die Forschungsarbeit von Anja Baum und Dr. Kathleen Haack wurde nicht nur in der Wissenschaft gewürdigt, sondern kürzlich auch mit einem Ehrenpreis ausgezeichnet. Im Rahmen der Verleihung des Johannes-Stelling-Preises, organisiert von der SPD-Landtagsfraktion, wurden die beiden Frauen für ihr Engagement zur Aufarbeitung der Geschichte der Psychiatrie in Ueckermünde geehrt. Diese Anerkennung unterstreicht die Bedeutung der Erinnerungskultur, die für die kommenden Generationen von großer Wichtigkeit ist.
Das Projekt befasst sich zudem mit der Aufarbeitung psychiatrischer Heilanstalten von 1875 bis 1945. Auch Schüler des Greifen-Gymnasiums setzen sich mit dieser Thematik auseinander und hatten die Möglichkeit, die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau zu besuchen. Unter der Anleitung von Dr. Haack legten die Schüler einen Kranz am Gedenkstein für die Euthanasie-Opfer nieder und lernten somit auf eindrucksvolle Weise den Umgang mit dieser Thematik.
Ein schreckliches Erbe
Die dunkle Geschichte der Psychiatrie im Nationalsozialismus ist von erschreckenden Zahlen und Fakten geprägt. Schätzungen zufolge fielen mindestens 250.000 psychisch Kranke und Menschen mit Behinderung dem grausamen Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten zum Opfer. Psychiater waren aktiv an der Zwangssterilisation von bis zu 400.000 Menschen beteiligt. Dabei wurden oft nicht nur psychische Erkrankungen, sondern auch soziale und ethnische Merkmale als Gründe für die Tötung angeführt.
Mit dem am 14. Juli 1933 eingeführten Gesetz zur „Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurden die Weichen für die systematische Vernichtung von Menschen gestellt. Im Rahmen der sogenannten „Aktion T4“ wurden unter dem Vorwand, den Lebenswert dieser Menschen zu mindern, Tötungen massenhaft und ohne persönliche Überprüfung durchgeführt. Psychiater entschieden hier über Leben und Tod, nach dem Ermächtigungsschreiben Hitlers vom Oktober 1939, das diese mörderischen Handlungen legalisierte.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Aufarbeitung dieser dunklen Kapitel der Geschichte nicht nur für Ueckermünde von Bedeutung ist, sondern für die gesamte Gesellschaft. Das geplante Buch sowie die eingehenden Forschungen von Dr. Haack und ihren Mitstreitern ermöglichen einen wichtigen Schritt in Richtung eines tieferen Verständnisses für die individuellen Schicksale und die Bedeutung der Erinnerung an diese Zeit.
Wer die Buchpräsentation am 18. Juni 2025 nicht verpassen möchte, sollte sich den Termin im Kalender markieren. Die Veranstaltung beginnt um 15:00 Uhr im Kino Ueckermünde und ist kostenlos. Neben der Buchvorstellung wird es auch ein Podiumsgespräch mit Dr. Haack, Angehörigen von Opfern und Stephan Freitag geben – ein guter Anlass, um sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und die Vergangenheit nicht zu vergessen.
Für mehr Informationen über das Buch und die Veranstaltung können Sie die Details in den Artikeln von Uecker-Randow und Nordkurier nachlesen sowie weitere Hintergründe zur Psychiatrie im Nationalsozialismus auf DGPPN erfahren.